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Möglichkeit des Auftraggebers, vom Vertrag zurückzutreten, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers gestellt wird

PrintMailRate-it

​Agnieszka Boncławek

23. Januar 2024


In der täglichen Rechts- und Wirtschaftspraxis tauchen oft verschiedene Versionen der im Titel dieses Artikels genannten vertraglichen Bestimmung auf. Auch wenn diese Bestimmung unterschiedlich formuliert wird, hat sie jedoch unverändert denselben Sinn und Zweck: Die Auftraggeber (Besteller, Käufer, Abnehmer) möchten ein Werkzeug haben, das sie in folgenden Fällen absichern wird:

  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der anderen Partei;
  • „eine deutliche Verschlechterung der Finanzlage” der anderen Partei;
  • „Entstehung der Gefahr der  Zahlungsunfähigkeit”. 

Übrigens sind die zwei letztgenannten Bestimmungen, die aus der Praxis stammen, recht mehrdeutig formuliert und lassen Raum für Auslegung bzw. eine zu weit gehende Auslegung (Überinterpretation). Unabhängig von der Formulierung kann jede der o.g. Bestimmungen als eine solche eingestuft werden, die die Erreichung des Zwecks des Insolvenzverfahrens unmöglich macht oder erschwert.  Die Einrede der Unwirksamkeit von Bestimmungen dieser Art kann vom Insolvenzverwalter in einem Verfahren gegen die andere Partei des Vertrages, auf den sich das Verfahren bezieht, geltend gemacht werden. 

Gründe für die Unwirksamkeit einer vertraglichen Bestimmung im Insolvenzverfahren


Bei den zwei letztgenannten Bestimmungen handelt es sich in vielen Fällen um eine verschleierte Variante der erstgenannten Bestimmung. In jedem Fall wird (kann) der Zweck verfolgt (werden), es einer Partei zu ermöglichen, die Einbeziehung der betreffenden Forderung in ein Insolvenzverfahren zu verhindern. Zu beachten ist, dass der Hauptzweck eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmens die möglichst weitgehende Befriedigung der Gläubiger ist. Des Weiteren wird bezweckt, es dem insolventen Schuldner zu ermöglichen, seine gewerbliche Tätigkeit weiter auszuüben und seine Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Erreichung des Zwecks des Insolvenzverfahrens wird auch dann erschwert oder unmöglich gemacht, wenn sich die Erfüllung der vertraglichen Bestimmungen negativ auf die Möglichkeit der Führung des Unternehmens des insolventen Schuldners auswirkt (z.B. wenn der Vermieter den Mietvertrag über das Hauptlager des insolventen Schuldners, aus dem die Lieferungen an die Geschäftspartner ausgeführt werden, wegen der Insolvenzeröffnung kündigt).   

Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen: Eine Vertragsregelung, deren tatsächlicher Zweck die Privilegierung eines Gläubigers gegenüber den übrigen Gläubigern für den Fall, dass über das Vermögen des Geschäftspartners das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist, indem die Erreichung des Zwecks des Insolvenzverfahrens erschwert wird, ist gegenüber der Insolvenzmasse unwirksam (Art. 84 Abs. 1 des polnischen Insolvenzgesetzes). Dies bedeutet, dass der vertragliche Vorbehalt dieser Möglichkeit nicht die erwarteten Folgen zeitigt und dass die Bestimmung selbst im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens so behandelt wird, als ob sie nicht bestünde. Jeder Fall muss jedoch im Hinblick auf das konkrete Rechtsverhältnis individuell beurteilt werden.

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bedeutet nicht, dass die mit dem insolventen Schuldner abgeschlossenen Verträge nicht gekündigt werden können


Eine Gesamtanalyse der Vorschriften des Insolvenzgesetzes zeigt ein optimistischeres Bild. Es wäre nämlich auf deren Grundlage  schwierig, festzustellen, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, sämtlichen vertraglichen Rechten des Geschäftspartners des insolventen Schuldners die Wirksamkeit abzusprechen. Zweck der Regelung ist es, die Wirksamkeit nur denjenigen vertraglichen Rechten abzusprechen, die der Geschäftspartner des insolventen Schuldners vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeübt hat und die den Zwecken des Insolvenzverfahrens widersprechen.  Es ist also zulässig, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die gesetzlichen oder vertraglichen Grundlagen für diesen Rücktritt vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das in dieser Situation das Grenzdatum darstellt, vorlagen.  

Es ist auch zulässig vom Vertrag zurückzutreten bzw. ihn zu kündigen, wenn der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die sich aus den Verträgen ergebenden Verpflichtungen, die in Kraft bleiben, nicht erfüllt. Nach diesem Datum kann die andere Partei den Vertrag nach den allgemeinen Grundsätzen kündigen.

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Agnieszka Boncławek

Attorney at law (Polen)

Senior Associate

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