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Kann ein Stellenbewerber Hinweisgeber sein?

PrintMailRate-it

​​​​​Maciej Ogórek

28. Oktober 2022


Die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, fasst den Begriff von „Personen, die Verstöße melden“ (umgangssprachlich „Hinweisgeber“ genannt) sehr weit. Einem ähnlichen Ansatz folgt der Entwurf des polnischen Gesetzes, mit dem die Richtlinie implementiert werden soll. 

Personen, die als Hinweisgeber eingestuft werden, steht eine Reihe von Berechtigungen zu, durch die sie vor eventuellen negativen Folgen der Meldung von Rechtsverstößen geschützt werden sollen. Hinweisgeber werden u.a. dadurch geschützt, dass es den Arbeitgebern verboten ist, gegen sie Repressalien zu ergreifen. Angesichts der o.g. Schutzrechte muss man den Kreis der Personen identifizieren, die diese Schutzrechte genießen. 

Die EU-Richtlinie und die Prämissen des polnischen Gesetzentwurfs


Gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie kommen als Hinweisgeber auch Bewerber für Arbeitsstellen in Frage, deren Arbeitsverhältnis noch nicht begonnen hat und die während des Einstellungsverfahrens oder anderer vorvertraglicher Verhandlungen Informationen über Verstöße erlangt haben. Der Katalog der Personen, die vom polnischen Gesetz als Hinweisgeber eingestuft werden, befindet sich in Art. 4 des Gesetzentwurfs. Dort ist keine Rede von Bewerbern für Arbeitsstellen, obwohl die EU-Richtlinie diese erwähnt. Zu beachten ist jedoch, dass der in Rede stehende Katalog lediglich eine Aufzählung von Beispielen darstellt und ihm eine allgemeiner gehaltene Definition vorangestellt ist. Das Gesetz (und der Schutz, den es garantiert), werden somit auch auf andere Personen angewandt, die Informationen über Rechtsverstöße, die sie in ihrem Arbeitsumfeld erlangt haben, melden oder offenlegen. 

Ist ein Bewerber für eine Arbeitsstelle, der solche Informationen im Laufe des Einstellungsverfahrens meldet, eine solche Person? Kann eine solche Person Hinweisgeber sein – unabhängig davon, ob sie eingestellt wird?

Hieran bestehen gewisse Zweifel. Angesichts der unklaren Formulierung von Art. 4 Abs. 2 des Gesetzentwurfs ist es schwer, diese Frage bereits jetzt zu beantworten. Nach dieser Vorschrift wird das Gesetz auch auf Personen angewandt, die Rechtsverstöße melden, von denen sie im Zusammenhang mit der Arbeit erfahren, bevor sie eingestellt wurden. Es ist jedoch etwas anderes, ob man von Rechtsverstößen vor der Einstellung erfährt (und diese anschließend zum Zeitpunkt der Einstellung meldet), oder ob man die Meldung bereits in der Bewerbungsphase vornimmt (unabhängig davon, ob es zur Einstellung kommt). Eine sich ausschließlich am Wortlaut orientierende Auslegung dieser Vorschrift könnte gewisse Zweifel daran aufwerfen, ob die Autoren des Gesetzentwurfes es lediglich späteren Mitarbeitern ermöglichen wollten, Rechtsverstöße zu melden, zu denen es während des Einstellungsverfahrens kam, oder ob sie den Stellenbewerbern die Möglichkeit geben wollten, Verstöße bereits während des Einstellungsverfahrens zu melden. 

Trotz dieser Zweifel scheint es, dass angesichts des aktuellen Gesetzentwurfs die obigen Fragen mit Ja zu beantworten sind. Erhält der Kandidat während des Einstellungverfahrens Informationen über Unregelmäßigkeiten, so geschieht dies grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Arbeitsumfeld. Ein gutes Beispiel hierfür sind Unregelmäßigkeiten bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten während des Einstellungsverfahrens (z.B. wenn während des Einstellungsverfahrens personenbezogene Daten verlangt werden, die im Arbeitsgesetzbuch nicht genannt sind). Ein Bewerber für eine Arbeitsstelle ist eine natürliche Person und erhält die Information über die unbegründete Verarbeitung personenbezogener Daten während des Einstellungsverfahrens im Zusammenhang mit der Arbeit. Es scheint deshalb, dass er die Möglichkeit haben muss, sich interner Meldekanäle zu bedienen. In dieser Situation genießt der Bewerber den Schutz, der Hinweisgebern von der Richtlinie und dem zukünftigen Gesetz garantiert wird. 

Die obige Auslegung der Vorschriften wird auch durch andere Vorschriften des Gesetzentwurfs gestützt. Die Vorschriften, die „Informationen über Rechtsverstöße“ definieren, besagen, dass es sich dabei um Informationen über Verstöße handelt, die u.a. bei einem Rechtsträger erfolgten, bei dem der Hinweisgeber an einem Einstellungsverfahren oder an anderen Verhandlungen im Vorfeld eines Vertragsabschlusses teilnahm. Außerdem muss ein Bewerber für eine Arbeitsstelle gemäß Art. 24 Abs. 6 des Gesetzentwurfes bereits während des Einstellungsverfahrens  über das für interne Meldungen geltende Verfahren informiert werden. Ist also ein Bewerber über das geltende Verfahren zu informieren, dann mit dem Ziel, ihn in die Lage zu versetzen, das Verfahren zu nutzen. 

Diese Lösungen könnten dahingehend verstanden werden, dass zum Hinweisgeber nicht nur eine bei dem betreffenden Arbeitgeber beschäftigte Person werden kann, sondern auch eine Person, die an einem Einstellungsverfahren teilgenommen und in dieser Phase einen Rechtsverstoß bemerkt hat. Es scheint also, dass ein Bewerber für eine Arbeitsstelle, der Informationen über einen Rechtsverstoß meldet, noch vor dem Abschluss des Einstellungsverfahrens zum Hinweisgeber werden kann – und dies unabhängig davon, ob das Einstellungsverfahren für ihn erfolgreich endet. Um diese Frage zu entscheiden, muss man jedoch auf die endgültige Fassung des Gesetzentwurfs warten.

Zusammenfassung


Die oben besprochenen theoretischen Fragen muss man im Hinblick darauf betrachten, dass es dem Arbeitgeber (oder dem zukünftigen Arbeitgeber) verboten ist, gegenüber Hinweisgebern Repressalien zu ergreifen. Ein Rechtsträger, der ein Einstellungsverfahren durchführt und von einem Hinweisgeber Informationen über einen Rechtsverstoß erhält, wird gegenüber diesem Hinweisgeber keinerlei Repressalien ergreifen dürfen. Verweigert ein Arbeitgeber einem Bewerber die Einstellung unter Hinweis darauf, dass der Bewerber intern über einen Rechtsverstoß informiert hat, so könnte man dies demnach als einen Verstoß gegen das o.g. Verbot von Repressalien werten. 

Die o.g. Frage kann in der Praxis zu bestimmten Kontroversen führen. So könnte es problematisch werden, das Recht des Arbeitgebers auf unabhängige Durchführung des Einstellungsverfahrens sowie zum Abschluss von Arbeitsverträgen mit ausgewählten Kandidaten von der Anwendung von Repressalien durch den Arbeitgeber zu trennen. Insbesondere darf man den Schutz von Hinweisgebern nicht als Instrument verstehen, mit dem der Hinweisgeber den Arbeitgeber zwingen könnte, ihn einzustellen, da der Arbeitgeber anderenfalls befürchten müsste, der Anwendung von Repressalien beschuldigt zu werden. Nichtsdestoweniger wird es in dieser Situation für den Arbeitgeber empfehlenswert sein, größte Vorsicht walten zu lassen. 

Sollten Sie Fragen zum Schutz von Hinweisgebern haben, so stehen Ihnen unsere Experten gerne zur Verfügung.

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Maciej Ogórek

Attorney at law (Polen)

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