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Wann entscheidet der Minderheitsgesellschafter über die Zusammensetzung der Geschäftsführung – Case Study

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​​Wojciech Paryś

 

Bei der Gründung einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (poln. spółka z ograniczoną odpowiedzialnością, sp. z o.o.) möchten sich die zukünftigen Gesellschafter oft bereits bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages eine entsprechende Stellung sichern. Dies ist z.B. dadurch möglich, dass den Gesellschaftern besondere Rechte gewährt werden, und zwar Anteilsrechte oder persönliche Rechte. Ein gut gestalteter Gesellschaftsvertrag kann der Gesellschaft helfen, Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern zu überstehen, ein schlecht konstruierter Vertrag kann dagegen zu langjährigen und aufreibenden Verfahren beitragen. Darüber hinaus kann der Versuch, die Interessen des Gesellschafters übermäßig zu schützen, dazu führen, dass ein Teil der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages unwirksam wird.


Zu den grundlegenden Rechten der Gesellschafter einer polnischen GmbH gehört das Recht, Beschlüsse über die Zusammensetzung der Geschäftsführung der Gesellschaft zu fassen. Gemäß den Gesetzesvorschriften wird die Geschäftsführung durch einen Gesellschafterbeschluss berufen. Dazu ist die einfache Stimmenmehrheit erforderlich, wobei auf einer Gesellschafterversammlung üblicherweise auf einen Anteil eine Stimme entfällt. Das bedeutet, dass der Minderheitsgesellschafter grundsätzlich jedes Mal überstimmt werden kann, da eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Kapitalgesellschaft ist - es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht für diese Frage eine abweichende Regelung vor.


Sonderberechtigung des Gesellschafters bei der Berufung und Abberufung eines Geschäftsführers
Vor Kurzem haben wir in unserer Kanzlei die Konsequenzen analysiert, die sich aus dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft X sp. z o.o. (nachfolgend: „Gesellschaft X“) ergeben; der Vertrag umfasste u.a. folgende Bestimmungen:

 

  1. Abs. 1 Jeder Gesellschafter, der mindestens 10% der Anteile am Stammkapital hält, hat das Recht, einen Geschäftsführer zu ernennen, wobei er – falls dieser Gesellschafter eine natürliche Person ist – auch- sich selbst berufen kann.
  2. Abs. 2 Der gemäß Abs. 1 ernannte Geschäftsführer kann ausschließlich durch denjenigen Gesellschafter abberufen werden, von dem er berufen wurde.
  3. Abs. 3 Art. 203 § 1 HGGB-PL findet keine Anwendung. (ein Geschäftsführer kann jederzeit durch einen Gesellschafterbeschluss abberufen werden).


In der Gesellschaft X gab es zwei Gesellschafter, wobei einer von ihnen 10% und der andere 90% der Anteile hielt. Der Mehrheitsgesellschafter wollte wissen, ob er einen durch den Minderheitsgesellschafter berufenen Geschäftsführer abberufen kann.


Am Anfang stellte sich die Frage hinsichtlich der Wirksamkeit von Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft X, welcher das den Gesellschaftern zustehende Recht, Geschäftsführer abzuberufen, ausschließt. Diese Frage ist zurzeit Gegenstand von Streitigkeiten - nach Meinung mancher Kommentatoren und eines Teils der Rechtsprechung kann das Recht der Gesellschafterversammlung, Geschäftsführer abzuberufen, nicht ausgeschlossen werden. Die Gegenmeinung besagt jedoch, ein solcher Ausschluss sei wirksam. Auch wenn man der für den Mehrheitsgesellschafter günstigen Konzeption zuneigt (nach der der Mehrheitsgesellschafter, auch trotz eines so gestalteten Gesellschaftsvertrages, den Geschäftsführer auf einer Gesellschafterversammlung abberufen kann), ist zu beachten, dass dadurch das Recht des Minderheitsgesellschafters, diesen Geschäftsführer erneut zu berufen, nicht ausgeschlossen wird. Bei der Gesellschaft X entsteht somit eine Pattsituation, bei der der Mehrheitsgesellschafter die Abberufung des vom anderen Gesellschafter berufenen Geschäftsführers überstimmen könnte – es ist jedoch möglich, dass der Minderheitsgesellschafter diesen wieder beruft.


Änderung des Gesellschaftsvertrages und Beschränkung der Anteilsrechte


Im angeführten Beispiel begann der Mehrheitsgesellschafter, eine Änderung des Gesellschaftsvertrages zu erwägen, welche ihm eine seiner Stammkapitalbeteiligung gerechte Stellung – unter anderem hinsichtlich der Berufung von Geschäftsführern – gewähren würde. Der Gesellschaftsvertrag sah für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages keine Sonderbestimmungen vor, daher würde im Normalfall eine 2/3-Mehrheit der auf einer Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen für eine Beschlussfassung ausreichen – wie oben erwähnt, verfügte der Mehrheitsgesellschafter über 90% der Stimmen. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages schien eine einfache und greifbare Lösung zu sein. Jedoch haben die Verfasser des polnischen Gesetzbuches über die Handelsgesellschaften eine solche Situation vorhergesehen - in der der Mehrheitsgesellschafter versuchen könnte, den anderen Gesellschaftern die ihnen aufgrund des Gesellschaftsvertrages erteilten Rechte durch Änderung eben dieses Vertrages abzuerkennen. Da die geplante Änderung des Gesellschaftsvertrages zu einer Beschränkung von Anteilsrechten führen würde, bedürfte sie der Zustimmung aller Gesellschafter, die von dieser Beschränkung betroffen wären – in diesem Fall auch des Minderheitsgesellschafters, der lediglich 10% der Anteile hielt.


Dabei ist zu betonen, dass der Gesellschaftsvertrag diese Regelungen nicht mildern kann. Jeder Versuch, der auf eine Beschränkung der persönlichen Rechte oder der Anteilsrechte abzielt, die zuvor durch den Gesellschaftsvertrag irgendeinem Gesellschafter zuerkannt wurden, wird mit der Pflicht einhergehen, die Zustimmung dieses Gesellschafters einzuholen. Es reicht also nicht aus, dass ein solcher Gesellschafter der Gesellschafterversammlung fernbleibt und keine Stimme gegen eine derartige Änderung (einen derartigen Beschluss) abgibt – erforderlich ist die ausdrückliche Zustimmung dieses Gesellschafters zur Beschränkung der ihm zustehenden Rechte.


Ausschluss eines Gesellschafters und Zwangseinziehung von Anteilen


Verschärft sich die Streitigkeit zwischen den Gesellschaftern, so unternehmen diese manchmal Schritte, die auf die Übernahme der gesamten Kontrolle in der Gesellschaft abzielen. Da in solchen Fällen oft der Verkaufswille fehlt, wird es kaum möglich sein, die Anteile des Minderheitsgesellschafters zu erwerben. Die einzige Alternative des Mehrheitsgesellschafters kann dann nur noch die Klageerhebung auf Ausschluss des Minderheitsgesellschafters oder die Durchführung der Zwangseinziehung von Anteilen sein. Beide Lösungen führen im Endeffekt zum Ausscheiden eines der Gesellschafter aus der Gesellschaft, jedoch unterscheiden sich diese Verfahren voneinander.


Eine ausführliche Besprechung der o.g. Fragen geht über den Umfang dieses Artikels hinaus; wir möchten an dieser Stelle lediglich auf die Zwangseinziehung von Anteilen im Kontext der Beschränkung der Anteilsrechte oder der persönlichen Rechte eines Gesellschafters verweisen. Eine Zwangseinziehung von Anteilen ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Gesellschaftsvertrag ein derartiges Verfahren vorsieht – jedoch sah der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft X diese Lösung nicht vor. Es ist zu beachten, dass eine Änderung des Gesellschaftsvertrages durch die Hinzufügung von Bestimmungen über eine Zwangseinziehung von Anteilen zurzeit nicht als eine Änderung betrachtet wird, die die Anteilsrechte der Gesellschafter beschränkt (obwohl diese Auffassung, trotz mehrerer diesbezüglicher Entscheidungen des Obersten Gerichts, auf Kritik stößt).


Für die Gesellschaft X könnte auch die Erhöhung des Stammkapitals eine Lösung sein. Die Erhöhung des Stammkapitals berechtigt die Gesellschafter zur Übernahme der neuen Anteile (die im Falle einer Kapitalerhöhung durch Bildung neuer Anteile erfolgt) proportional zu ihren bisherigen Anteilen. Sollte der Minderheitsgesellschafter jedoch nicht über ausreichende Mittel für die Übernahme der neuen Anteile verfügen, oder sollte er aus sonstigen Gründen sein Vorkaufsrecht über diese Anteile nicht in Anspruch nehmen, so würde die Stammkapitalerhöhung zu prozentualen Minderung seiner Anteile führen, wodurch er sein Recht auf Berufung und Abberufung eines Geschäftsführers verlöre. Die Erhöhung des Stammkapitals (sei es mit oder ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages)bedarf keiner Einstimmigkeit der Gesellschafter, weil sie die Anteilsrechte bzw. die den Gesellschaftern persönlich zuerkannten Rechte nicht unmittelbar beschränkt.


Daher ist eine Analyse des Gesellschaftsvertrages notwendig


Bitte beachten Sie, dass das Recht auf Berufung und Abberufung von Geschäftsführern nur ein Beispiel der Anteilsrechte des Gesellschafters darstellt. Der Gesellschaftsvertrag kann auch andere Rechte (aus den Anteilen oder persönlich zuerkannte Rechte) vorsehen, z.B. ein Vorzugsrecht in Bezug auf die Dividende oder auf das Stimmrecht – darunter auch das Erfordernis der Einstimmigkeit bei der Fassung bestimmter Beschlüsse. Der Gesellschaftsvertrag muss so gestaltet werden, dass zwischen allen Parteien ein Gleichgewicht sichergestellt wird, d.h. dass auch bei eventuellen Streitigkeiten keine Pattsituation entsteht, die die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft stören würde. In diesem Zusammenhang muss der Gesellschaftsvertrag noch vor der Gründung einer neuen, bzw. dem Erwerb von Anteilen an einer bereits bestehenden Gesellschaft analysiert werden, wobei auch die den Gesellschaftern persönlich zuerkannten Rechte bzw. ihre Anteilsrechte zu prüfen sind. Wird von einer solchen Analyse abgesehen, so kann das in Zukunft die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft erheblich einschränken und die Gesellschafter der Gefahr von Verlusten aussetzen.


Sind Sie an diesem Thema interessiert oder benötigen Sie Unterstützung bei der Analyse des Gesellschaftsvertrages, so stehen Ihnen die Experten von Rödl & Partner aus den Büros in Breslau, Danzig, Gleiwitz, Krakau, Posen und Warschau gerne zur Verfügung.

Kontakt

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Monika Behrens

Attorney at law (Polen)

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