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Die Betriebsstätte im Lichte des Multilateralen Instruments (MLI)

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​​​​Das Multilaterale Instrument (MLI) ist ein Instrument des internationalen Steuerrechts, das wesentlichen Einfluss auf die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen hat. Einer der Bereiche, den das MLI betrifft, ist die Betriebsstättenproblematik.

 

Was ist das MLI?


Am 7. Juni 2017 wurde in Paris von 68 Staaten das Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (engl. Multilateral convention to implement tax treaty-related measures to prevent base erosion and profit shifting, kurz: MLI) unterzeichnet, das zu Änderungen von Doppelbesteuerungsabkommen führt. Das Übereinkommen ermöglicht die gleichzeitige Änderung mehrerer Dutzend der von Polen unterzeichneten Doppelbesteuerungsabkommen, ohne dass langwierige bilaterale Verhandlungen notwendig sind. Polen hat 78 Doppelbesteuerungsabkommen (kurz: DBA) zum MLI angemeldet. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des MLI wurde unter anderem das mit Deutschland abgeschlossene DBA von Polen nicht angemeldet. Darüber hinaus wird das MLI auf die Bestimmungen des mit den Vereinigten Staaten abgeschlossenen DBA keine Anwendung finden, da die USA das MLI nicht unterzeichnet haben. Die Staaten haben aber die Möglichkeit, das MLI nachträglich zu unterzeichnen sowie weitere DBA anzumelden.

 

Entstehungsgeschichte des MLI


Das Übereinkommen ist das Ergebnis der Arbeiten der OECD, die seit 2013 im Rahmen des Projekts Base Erosion and Profit Shifting – BEPS (Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung) andauern. Die BEPS-Abschlussberichte wurden am 5. Oktober 2015 veröffentlicht. Eine der 15 Maßnahmen war die Ausarbeitung des MLI. Das Übereinkommen ermöglicht die Umsetzung der im Rahmen der BEPS-Maßnahmen ausgearbeiteten Lösungen durch die Änderung von DBA ohne bilaterale Verhandlungen.


Das Übereinkommen trat am 1. Juli 2018 in Kraft. Polen ratifizierte es am 27. Oktober 2017 in Form eines Gesetzes (Dz.U. [poln. GBl.] Jahrgang 2017, Pos. 2104).  Am 23. Januar 2018 reichte Polen bei der OECD ein Dokument über die Bestätigung der Ratifizierung des Übereinkommens ein, was dazu führte, dass einige bilaterale DBA seit 2019 in geänderter Form gelten.

 

Mindestumfang der Anwendung des MLI


Bei der Notifikation des jeweiligen DBA sind die MLI-Vertragsstaaten verpflichtet, die Art. 6, 7 und 16 des Übereinkommens anzuwenden, und diese Pflicht kann nicht abbedungen werden. Die Artikel behandeln den sog. Mindeststandard, d.h.:

 

  1. das in den Präambeln der DBA genannten Ziel ihrer Bestimmungen – neben der Vermeidung der Doppelbesteuerung auch die Verhinderung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung,
  2. Missbrauchsbekämpfungsklauseln, deren Ziel die Verhinderung der Erzielung von Steuervorteilen ist,
  3. das Verständigungsverfahren (MAP), dessen Ziel die Verbesserung der bestehenden Mechanismen zur Lösung von Streitigkeiten ist, in Fällen, in denen die Handlungen eines oder beider Vertragsstaaten zu einer Besteuerung führen, die nicht den DBA-Bestimmungen entsprechen.


In dem Bereich, der über den Mindeststandard hinausgeht, ist es infolge der Anmeldung von Vorbehalten und der Entscheidung für freiwillige oder alternative Optionen möglich, dass ein Staat – trotz der Notifikation des Steuerabkommens – einen Teil der Vorschriften des Übereinkommens nicht anwenden muss, z.B. die Regelungen über die „doppelte“ steuerliche Ansässigkeit, steuerlich transparente Rechtsträger, das Schiedsverfahren oder auch Bestimmungen, die mit der künstlichen Umgehung des Betriebsstättenstatus verbunden sind. Die obigen Standpunkte der Staaten sind in einem Formular, das Vorbehalte und die Notifikation des MLI enthält (engl. Template of reservations and notifications under the Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting), enthalten.

 

BEPS-Empfehlungen zu Betriebsstätten


Um die künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus (engl. Permanent Establishment) zu verhindern, wurden im Rahmen der BEPS-Maßnahmen, insbesondere der BEPS-Maßnahme 7, zahlreiche alternative bzw. sich gegenseitig ergänzende Postulate vorgeschlagen, wie:

  • die Erweiterung der Definition des abhängigen Vertreters derart, dass sie auch Kommissionärstrukturen oder sonstige eng verbundene Vertreter umfasst,
  • engere Fassung der Gruppe von festen Geschäftseinrichtungen, die nicht zur Entstehung einer Betriebsstätte führen,
  • Einführung von Mechanismen, die der Aufteilung von Bauaufträgen (Montageaufträgen) vorbeugen. 

 

Standpunkt Polens in Bezug auf Betriebsstätten


Polen vertritt den Standpunkt, dass sämtliche Vorschriften, die die Besteuerung von Betriebsstätten betreffen, bilateralen Verhandlungen unterliegen werden. Da Polen Vorbehalte angemeldet hat, werden sich die von Polen abgeschlossenen Steuerabkommen – ungeachtet des Standpunkts der anderen Partei des Steuerabkommens – hinsichtlich der Besteuerung von Betriebsstätten nicht ändern.

 

Polen wird u.a. folgende Artikel nicht in die DBA einführen: Art. 10 MLI (Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung für in Drittstaaten oder -gebieten gelegene Betriebsstätten), Art. 12 MLI über die künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien, Art. 13 MLI über die künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten aus der Definition der Betriebsstätte, Art. 14 MLI (Aufteilung von Verträgen) sowie Art. 15 MLI (Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person).

 

Dennoch empfiehlt sich eine kurze Erläuterung, worin die im MLI hinsichtlich Betriebsstätten vorgeschlagenen Änderungen bestehen, die in die DBA, deren Vertragspartei Polen ist, infolge von bilateralen Verhandlungen eingeführt werden können.

 

Abhängiger Vertreter


Gemäß Art. 12 MLI entsteht auch dann eine Betriebsstätte in Form eines abhängigen Vertreters, wenn sich der Vertragsabschluss unmittelbar aus der Tätigkeit des Vertreters im Namen des Vollmachtgebers ergibt, und zwar sogar dann, wenn dieser Vertrag nicht von ihm selbst abgeschlossen wird, aber dieser Vertreter gewöhnlich die führende Rolle bei der Herbeiführung des Abschlusses von Verträgen übernimmt, die regelmäßig ohne wesentliche Änderung durch das Unternehmen geschlossen werden.  Solche Verträge können von einem Vertreter auch zur Übertragung des Eigentums oder der Gewährung eines Nutzungsrechts an Vermögen, das dem Unternehmen gehört, abgeschlossen werden. Die in dem Übereinkommen festgeschriebenen Änderungen haben besondere Bedeutung für Unternehmer, die ihre Güter im Ausland über Vertriebsstrukturen verschiedener Art mit Handelsvertretercharakter, die von eingeschränktem wirtschaftlichem Risiko geprägt sind, verkaufen. Im Ergebnis soll die von Handelsvertretern oder Vermittlern ausgeübte Auslandstätigkeit in einem weiteren Umfang im Ausland von der Steuer erfasst werden, als dies bisher der Fall war.


Eine Tätigkeit, die über einen unabhängigen Vertreter ausgeübt wird, führt nicht zur Entstehung einer Betriebsstätte. Ist eine Person jedoch ausschließlich oder nahezu ausschließlich für ein oder mehrere Unternehmen tätig, mit dem bzw. mit denen sie eng verbunden ist, so gilt diese Person nicht als unabhängiger Vertreter. Es wird angenommen, dass eine Person dann mit einem Unternehmen eng verbunden ist, wenn dieses angesichts sämtlicher wesentlicher Umstände die Person kontrolliert, oder wenn beide von denselben Personen oder Unternehmen kontrolliert werden. In jedem Fall wird eine Person als eng mit einem Unternehmen verbunden angesehen, wenn sie unmittelbar oder mittelbar über mehr als 50% des wirtschaftlichen Eigentums (beneficial interests) an dieser Person verfügt, und im Falle einer Gesellschaft – über mehr als 50% der Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts der Anteile (Aktien) oder der Eigentumsrechte (beneficial equity interest).  

 

Hilfstätigkeit und Tätigkeit vorbereitender Art


Der eher weite Umfang der Tätigkeiten, die in den auf dem OECD-Musterabkommen gestützten DBA als Hilfstätigkeit oder Tätigkeit vorbereitender Art eingestuft werden, kann zur künstlichen Umgehung der Entstehung einer Betriebsstätte, insbesondere durch die Aufteilung der Tätigkeit, ausgenutzt werden. Dem wirken die Bestimmungen des Art. 13 MLI entgegen, die den in Art. 5 Abs. 4 des Musterabkommens enthaltenen Katalog der Ausschlüsse ändern. Die Aufteilung der grundlegenden Geschäftstätigkeit des Unternehmens bietet potenziell die Möglichkeit, den Status einer ausländischen Betriebsstätte im Quellenstaat (d.h. in dem Staat, in dem die Betriebsstätte gelegen ist) zu umgehen.


Der Begriff der Tätigkeit vorbereitender Art bzw. der Hilfstätigkeit hängt von der Art der Geschäftstätigkeit und der Einstellung der Steuerverwaltung im jeweiligen Staat ab. Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sollten bei der Funktionsweise des jeweiligen Geschäftsmodells keine wesentliche Geschäftstätigkeit darstellen. Das MLI zielt auf die Einschränkung der Ausnahmen (wenn trotz der Unterhaltung einer festen Geschäftseinrichtung keine Betriebsstätte entsteht) bei Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten ab.

 

Eine Betriebsstätte entsteht auch dann, wenn eng miteinander verbundene Unternehmen eine Geschäftstätigkeit am selben Ort (oder auch an verschiedenen Orten, innerhalb desselben Vertragsstaats) über eine feste Geschäftseinrichtung ausüben und es sich bei der gesamten Geschäftstätigkeit nicht um eine Tätigkeit vorbereitender Art oder eine Hilfstätigkeit, sondern um ergänzende Tätigkeiten handelt, die Teil von einheitlichen Geschäftsvorfällen ist. Das soll einer künstlichen Aufteilung der Tätigkeit vorbeugen.

 

Bau- / Montagebetriebsstätte


Eine Baustelle, Bauausführung (Montage- oder Installationsarbeiten) ist nur dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet (Art. 5 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens). Art. 14 des MLI soll grundsätzlich der Aufteilung von Verträgen zwischen eng verbundenen Unternehmen entgegenwirken. Gesonderte Zeiträume, sofern sie jeweils 30 Tage überschreiten, werden dem Gesamtzeitraum des jeweiligen Projekts, der jeweiligen Bauausführung bzw. Montage oder Installation hinzugerechnet. Es handelt sich hierbei um die Gesamtbeurteilung der Tätigkeiten, die von allen verbundenen Unternehmen vorgenommen werden, und nicht um die Perspektive einer z.B. künstlich aus der Organisationsstruktur ausgegliederten Einheit. 

 

Wenn Sie am Thema ausländischer Betriebsstätten oder anderen Themen interessiert sind, beraten unsere Experten Sie gerne. Wir stehen Ihnen in den Büros Breslau, Danzig, Gleiwitz, Krakau, Posen und Warschau zur Verfügung.

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Dominika Tyczka-Szyda

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