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Überstunden und Teilzeitarbeit – ein neues Urteil des EuGH

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​Michał Prokop, Maksymilian Kruszewski

10. November 2023


Am 19. Oktober 2023 wurde in Luxemburg das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-660/20, Lufthansa CityLine, verkündet – nach einem dreijährigen Verfahren, das auf ein Vorabentscheidungsersuchen des deutschen Bundesarbeitsgerichts eingeleitet worden war.

Die deutsche Justiz hatte sich an den Gerichtshof mit der Frage gewandt, ob die Festlegung einer einheitlichen Auslösegrenze bei Überstunden gegen EU-Recht, insbesondere die Richtlinie 97/81 und Paragraf 4 Pkt. 1 und 2 der ihr beigefügten Rahmenvereinbarung verstößt, weil sie Teilzeitbeschäftigte benachteiligt.

Problemstellung


Der Kläger – ein Pilot einer deutschen Fluggesellschaft – wies auf die systembedingte Ungerechtigkeit der nationalen Rechtsvorschriften hin, die Teilzeitbeschäftigte in der Leistung von Überstunden und der Inanspruchnahme einer Reihe von damit verbundenen Vorteilen beschränken. 

Bei dem Piloten, der in einer 90-Prozent-Teilzeitstelle beschäftigt war, fielen erst dann Überstunden an, wenn seine Arbeitszeit die für Vollzeitbeschäftigte geltende normale Arbeitszeit überschritt. Für die übrigen Arbeitsstunden erhielt er keine zusätzliche Vergütung, sondern nur einen proportional erhöhten Grundsatz für die Stunden zwischen seiner Arbeitszeit und der Auslösegrenze, ab der ein Vollzeitbeschäftigter Überstunden leistet.

In dieser Rechtssache ging es um die Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten im Zusammenhang mit ihren begrenzten Möglichkeiten, Überstunden zu leisten, für die sie eine sog. Mehrflugdienststundenvergütung erhalten sollten. Nach deutschem Recht fallen Überstunden erst dann an, wenn die für Vollzeitbeschäftigte vorgesehene Stundenzahl überschritten wird, so dass Teilzeitbeschäftigte sich zunächst an die Auslösegrenze „heranarbeiten“ müssen, bevor sie Anspruch auf eine zusätzliche Überstundenvergütung haben. Der polnische Gesetzgeber hat diese Frage in analoger Weise geregelt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofes


Die Erste Kammer des EuGH in erweiterter Besetzung hat eindeutig entschieden: Das Abhängigmachen der Zahlung einer zusätzlichen Vergütung vom Überschreiten einer einheitlichen Auslösegrenze für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte stellt eine Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten dar. 

Das EuGH-Urteil ist von großer Bedeutung für die diesbezüglichen Regelungen in Polen. Vertreter der polnischen Arbeitsrechtslehre haben den Gesetzgeber auf die Unvereinbarkeit der diesbezüglichen Vorschriften mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz hingewiesen, aber es sind immer noch keine Schritte unternommen worden, um die Vorschriften des Arbeitsgesetzbuches entsprechend zu ändern.

Urteil des EuGH und polnisches Recht


Das Urteil des EuGH erlaubt folgende Schlussfolgerung: 

  1. Artikel 151 § 5 des polnischen Arbeitsgesetzbuches [1] kann als unvereinbar mit der europäischen Richtlinie 97/81 angesehen werden.
  2. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichts kann es zu deutlichen Änderungen kommen, da dieses bisher die Auffassung vertreten hatte, dass auch bei Fehlen entsprechender Vereinbarungen zwischen einem Teilzeitbeschäftigten und dem Arbeitgeber nur die Arbeit, die über die für Vollzeitbeschäftigte geltende Arbeitszeit hinausgeht, als Überstunden zu behandeln ist [2].

Das Urteil des EuGH kann enorme Auswirkungen auf Arbeitgeber im Handelsdienstleistungs-, Bau- oder Industriesektor in Polen haben, in denen Teilzeitverträge mit der Möglichkeit, bis zur Vollzeit zu arbeiten, häufige Praxis sind. 

Die bisherige Rechtslage ermöglichte es den Arbeitgebern, bei der Arbeitszeitplanung flexibel vorzugehen, ohne das Risiko, dass ihnen durch unvorhergesehene Situationen zusätzliche Kosten entstehen. War beispielsweise einer der Arbeitnehmer krank und musste ein anderer Arbeitnehmer über seine ½ Stelle hinaus arbeiten, so musste keine Überstundenvergütung, sondern nur die übliche Vergütung gezahlt werden. Gemäß dem Urteil des EuGH muss in einer solchen Situation jedoch ein Überstundenzuschlag gezahlt werden. Darüber hinaus könnte eine Folge dieses Urteils in Polen ein Verzicht auf Teilzeitverträge und der Übergang zu Auftragsverträgen sein. 


Rechtsgrundlage:
[1] Arbeitsgesetzbuch, Art. 151 § 5: „Die Parteien legen in dem Arbeitsvertrag eines in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers die über die in dem Vertrag bezeichnete Arbeitszeit hinausgehende zulässige Anzahl von Arbeitsstunden fest, deren Überschreitung den Arbeitnehmer berechtigt, neben der normalen Vergütung den in Art. 151 1 § 1 genannten Zuschlag zur Vergütung (Überstunden) zu erhalten”.
[2] Urteil des Obersten Gerichts vom 9. Juli 2008, Az. I PK 315/07).

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Michał Prokop

Attorney at law (Polen)

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